Wir kennen nur das halbe Szenario...



Autor Ilias Siakantaris; Kathimerini

Es ist noch nicht lange her seit der Zeit, als die Haltung „Verzögern und Heuchelei“, dass alles unter Kontrolle ist, einen internationalen Fluch darstellte. Die Verurteilung des Zauderns war der Mittelpunkt in offiziellen Foren nach 2008: Führungskräfte verschiedener Länder, Präsidenten und internationale Organisationen haben sich für den notwendigen Übergang in eine neue Wirtschaftsarchitektur und gegen die Reform-Feigheit ausgesprochen, die die „Drachen“ unter dem Teppich verbirgt, welche die Krise zum Vorschein brachte. Eine Nation, und zwar die griechische, wurde auf Teufel komm raus das Beispiel zur Durchsetzung „schwieriger Lösungen“ (unabhängig, ob deren Anwendung dem Zufall überlassen wurde…). 

Verantwortliche jedwelcher Art sprachen von der durch die Krise hervorgebrachte Chance der seit langer Zeit notwendigen Veränderungen. Sie sagten, dass die Zeit der Naivität, der aufgeblasenen Zahlen und imaginären Bewertungen unwiderruflich vorbei sei. Was sie nicht erwähnten, dass ihre Position die Zeit der selektiven Statistiken einnimmt, die wiederum die Türen für oben Gesagtes öffnet.

Nach 2012 wollten sich immer mehr an das Selbstbewusstsein der Zentralbanken anlehnen. Das Bedürfnis, die Panik hinter sich zu lassen, koordinierte die Aufmerksamkeit auf die optimistischen Daten und Indizes. Erschöpft, nahmen sogar die Pessimisten die positive Analyse der Indizes an. Heute hat der gesamte Planet kein Problem, weder mit der Verzögerung noch der Heuchelei. Das Glas scheint halb voller zu sein als je zuvor. Ist es das aber auch?

Die amerikanische Beschäftigung als Indiz der Weltwirtschaft
Im Juli d.J. haben sich internationale Agenturen und Märkte in positiven Kommentaren zum Rückgang des offiziellen Prozentanteils der Arbeitslosigkeit in Amerika konkurriert. Das zuständige Arbeitsministerium der USA erklärte, dass die Arbeitsplätze im Juni um 288‘000 gestiegen sind, und damit die Vorhersagen von 215‘000 übertrafen. Jedoch gab die Nachricht unter dem Titel mehr Informationen preis: Von Mai bis Juni fanden fast 800‘000 Amerikaner einen part time Job. In der gleichen Periode jedoch, haben über eine halbe Million Angestellte ihren Job für immer verloren: Die in den letzten drei Krisen verlorenen full time Jobs konnten durch die darauffolgenden Aufschwünge nicht wieder gewonnen werden. 

Die Mitteilungen zur amerikanischen Beschäftigung sind positiv, da sie die Mobilität in der grössten Weltwirtschaft bestätigen. Sie bestätigen jedoch auch den Kurs eines nicht vorhandenen Beschäftigungsmodells, in welchem mehr als in der Hälfte der Beschäftigungszeit weniger als die Hälfte bezahlt: es deckt nicht die Lebenshaltungskosten, schafft keine Altersvorsorge, finanziert kein – auch wenn nur schwaches – Gesundheitssystem. 

Die Statistik bestätigt – wenn auch nur selektiv – dass die Beschäftigung sich ändert, aber die Gesellschaften sind nicht vorbereitet. Diese Veränderungen werden durch technologische und wirtschaftliche Faktoren verstärkt, aber auch durch die allgemeine Selbstzufriedenheit. In der Basis jedoch erhöht sich die Verzweiflung. Jeder Arbeitnehmer muss mehr Arbeitgeber oder Einnahmequellen suchen. Er muss sich mehr um seine Altersvorsorge kümmern, die Sicherheitsautomatismen gibt es nicht mehr. Die meisten Arbeitnehmer jedoch sind für ein solches Leben nicht vorbereitet, niemand hat sie ausgebildet, weder erklärt ihnen jemand, warum dies alles geschieht. 

51% der Griechen erwarten eine leichte oder erhebliche Verschlechterung der Krise
Der „Vorteil“, dass wir im Zentrum der Weltwirtschaftskrise leben, ist, dass uns fast allen die Grösse des Geschehens bewusst ist. Der Anteil der Griechen, die eine leichte oder erhebliche Verschlechterung der Wirtschaftslage erwarten beläuft sich auf 51%. Im Gesamten hat nur 1,3% der EU-Bürger diese pessimistische Einstellung, die übrigen bleiben weiterhin sorglos. 

Jedoch kennen wir Griechen nur das halbe Szenario. Wir wissen, dass die Beschäftigung schrumpft, die part time Beschäftigten steigen, der Versicherungsausgleich zusammengebrochen ist. Wir haben keine Ahnung, wie wir uns der neuen Situation anpassen. Und Schuld daran ist die „Verzögerung und Heuchelei“ und die menschliche Natur: Der internationale Rückgang der Panik hat den Druck zu wesentlichen Regulierungen verschoben – nicht nur Korrekturbewegungen, damit das System nicht zusammenbricht. Die entwickelten Volkswirtschaften schlafwandeln, unterstützend und unterstützt durch selektive Statistiken und optimistische Erzählungen. Zur gleichen Zeit aber verlieren die Gesellschaften ihre Stützen (Arbeit und Versicherung) und rutschen in ein Meer der Unsicherheiten, wie ein losgelöster Eisblock – langsam aber immer schneller werdend – ins Meer rutscht. In der nächsten Panik, wird sich vielleicht etwas verändern… 


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