Einer von drei Steuerpflichtigen deklariert als „Gast“ beherbergt zu werden
Wir sind ein gastfreundliches Volk und…. Gäste, zumindest
auf Papier. Die Verarbeitung der letztjährigen Steuererklärungen, die zur
Eruierung der Begünstigten von Sozialleistungen vom Finanzministerium erfolgte,
hat auffallende Befunde ans Tageslicht gefördert:
Mindestens einer von drei Steuerpflichtigen deklariert, dass
er über keinen eigenen Wohnsitz verfügt, sondern als „Gast“ bei einer
Drittperson wohnt. Von ca. 5,5 Mio. im Jahr 2013 eingereichten
Steuererklärungen geht hervor, dass von ca. 1,85 Mio. Steuerpflichtige der Code
„Gast“ ergänzt wurde unter Angabe des A.F.M. (Steuernummer) der natürlichen
oder juristischen Person, die sie beherbergt.
Verdeckte
Steuerhinterziehung
Führungskräfte des Finanzministeriums sind davon überzeugt,
dass die ausgedehnte Beherberbung Fälle von weitreichender Steuerhinterziehung
in sich birgt, während Kontrollen – die sich auf statistische Befunde stützen –
angekündigt werden, so dass Fälle von verdeckten Einkommen aufgedeckt werden -
hauptsächlich Mietzinseinnahmen oder betrügerische Antragstellung mit dem Ziel,
Sozialleistungen zu erhalten.
Offensichtlich entspricht die überwiegende Mehrheit der
Fälle der Realität und spiegelt die Folgen der Krise wider: Tausende von Arbeitslosen
– auch über 30-40 Jahre alt –, für die es unmöglich ist, eine eigene Wohnung zu
unterhalten, wohnen weiterhin bei ihren Eltern. Tausende von älteren Personen
wohnen bei Verwandten, um so von diesen gepflegt werden zu können. Tausende von
Studenten wohnen bei Verwandten auf dem Land, anstatt eine eigene Wohnung zu
mieten.
Wobei jedoch Taxisnet auch andere Fälle aufdeckt, die mit
dem gesunden Menschenverstand nicht zu erklären sind, weshalb sie näher
untersucht werden. Ein charakteristisches Beispiel sind die zwei natürlichen
Personen, griechische Staatsbürger, die je … 60 Personen bei sich zu Gast haben
oder der Ausländer namens Hussein, der in seiner Liegenschaft 50 Personen
beherbergt. Fast 55 Steuerpflichtige – natürliche Personen – deklarieren, dass
sie je 10 Personen zu Gast haben.
Was ist aus
steuerlicher Sicht der Grund, dass jemand als „Gast“ erscheint?
Erstens die
objektiven jährlichen Auslagen (sog. Lebenshaltungskosten). Steuerpflichtige
die in der Steuererklärung (E1) die Codes 092, 094 oder 096 ergänzen, werden
nicht mit den objektiven Auslagen für den Wohnsitz belastet. (Damit wird das von der Steuerverwaltung
aufgrund dieser Auslagen mutmassliche (fiktive) Einkommen gesenkt.)
Zweitens die
Umgehung der Steuer auf Mietzinseinnahmen. Mit der Deklaration als „Gast“ wird
das A.F.M. der Person, bei der der Steuerpflichtige zu Gast ist, die Fläche der
Liegenschaft des Gastgebers und die Dauer der Beherbergung deklariert, jedoch
keine Adresse. Somit befreit der „Gast“-Mieter den Eigentümer auch von der
Besteuerung der Mietzinse (Steuersatz 11% oder 33%) und des Steuervorschusses
(55% auf der berechneten Steuer) (Wobei
dies in der Praxis eine Abmachung zwischen Eigentümer und „Gast“-Mieter ist.
Denn beide profitieren von dieser „Lösung“).
Drittens, die
Umgehung der Einkommensbesteuerung. Hinter diesen Zahlen könnten auch illegale
Pflegeheime stehen, die ältere Kunden als „Gäste“ angeben.
Sozialzuschuss
Die Notwendigkeit der Registrierung der „Gäste“ wurde
anfänglich zur Bezahlung des Heizölzuschusses durchgeführt und seit kurzem des Sozialzuschusses. Vor allem bezüglich des Letzteren wurde beschlossen, dass
die als „Gast“ deklarierten Steuerpflichtigen, kein Recht zur Antragsstellung
für den Erhalt des Zuschusses haben sollen. Um das Recht zum Erhalt des
Sozialzuschusses von 500 Euro zu erhalten, wird ebenfalls das tatsächliche oder
mutmassliche Einkommen hinzugerechnet und nicht nur des Steuerpflichtigen
selbst, sondern auch des Ehepartners und der von ihm unterstützten Personen
sowie der von ihm deklarierten Personen, die er beherbergt. Mit dem Zusatz
dieser Doppel-Klausel, sank die Anzahl der Berechtigten für den Zuschuss dramatisch,
was auch aus der grossen Anzahl der abgelehnten Anträge hervorgeht.
Die zwei wichtigsten Befunde, die sich aus den Steuererklärungen
ergeben, die wiederum zur Integration der Klausel bezüglich der Beherbung
führten, sind:
- 1‘850‘000 Steuerpflichtige deklarierten, dass sie für eine gewisse Dauer im Jahr 2012 als Gast beherbergt wurden.
- Von diesen erklärten 1‘750‘000 Steuerpflichtige sodann, von einer natürlichen Person während 12 Monaten im Jahr 2012 beherbergt worden zu sein.
Selbstanzeige des Steuerpflichtigen
Zuständige Führungskräfte des Finanzministeriums anerkennen,
dass eine grosse Anzahl „Gäste“ auch auf eine fehlerhafte Ergänzung der
Steuererklärungen seitens der Steuerpflichtigen zurückzuführen ist. Um diesen
„Gästen“ nicht ungerechterweise das Recht auf den Zuschuss zu entziehen, gibt
das Finanzministerium diesen Steuerpflichtigen die Möglichkeit, im Taxisnet die
heutige und nicht wie in der Steuererklärung 2013 (Steuerjahr 2012)
ausgewiesene Situation zu deklarieren. Wobei diese Steuerpflichtigen, die
nunmehr etwas anderes deklarieren, automatisch unter die Kontrolle fallen.
Konkret werden untersucht:
- Alle, die in der Steuererklärung 2013 als „Gast“ erscheinen und in der elektronischen Anwendung bezüglich Zuschuss oder der Steuererklärung 2014 nicht mehr als solche erscheinen.
- Alle, die ihre „Gäste“ von der elektronischen Anwendung entfernt haben.
- Alle, die die „Beherbung“ in „unentgeltliche Leistung“ geändert haben.
Im Kontrollverfahren wird ausser dem Finanzministerium auch
der OGA beteiligt sein, der – wie auch im Beschluss bezüglich des Zuschusses
erwähnt – das Recht hat, die antragstellenden Steuerpflichtigen zur Einreichung
von Nachweisen zu laden. Die Kontrollen werden nach dem Zufallsprinzip
durchgeführt und basieren auf „Risikokriterien“. Zuständig für den Beschluss
über diese Kriterien ist der Generalsekretär für öffentliche Einnahmen, Charis
Theocharis, wobei er nicht veröffentlicht wird, um die Geheimhaltung der
Kontrolle zu gewährleisten.
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